Seit 2005 praktiziere ich Yoga, seit 2008 unterrichte ich und ich bin noch immer erschrocken und/oder traurig, wenn ich die Frage höre: Ich bin doch nicht flexibel genug, ich bin, zu alt, zu jung, zu unsportlich, zu unbeweglich, zu … you name it – ich hab es schon gehört.
Und das Neueste – die Frage: Ist mein Bauch ist zu dick für Yoga?

Das geht so nicht weiter und deshalb hier meine Antwort auf diese Frage

 

Die Antwort auf die Frage:

Soll mich ein dicker Bauch davon abhalten Yoga zu üben?

Ist: NEIN. Ende der Geschichte.

Aber wenn du dir diese Frage stellst, bedeutet das, dass du

  1. Dich für Yoga interessierst
  2. Dich selbst nicht 100% annehmen kannst (das ist hier weder gut noch schlecht)
  3. Du glaubst, alle die Yoga üben wären schlank.

Also will ich hier ein wenig tiefer in das Thema eintauchen.

Kann man zu dick für Yoga sein?

Alles was uns vom Yoga – und von anderen Dingen im Leben, die wir gern ausprobieren würden und uns nicht trauen – abhält sind unsere Gedanken. Unsere Gedanken über die Sache, unsere Gedanken über die Annahmen die wir über diese Sache haben, unsere Gedanken, die wir über uns selbst haben und unsere Gedanken, die wir darüber haben, was für Gedanken andere über uns haben.

Du siehst schon, wo das hinführt, oder? Unsere Gedanken bestimmten unser Leben.

Wer ist dein Vorbild & ist es realistisch?

Und diese Gedanken sind ja auch nicht 100%ig falsch. Wir sehen überall wunderhübsche Bilder von Tänzerinnen, Turnerinnen, Sportlerinnen, von Frauen, die einfach schlank sind, von Frauen (und. Männern) die Trainer sind, sportliche Menschen in Verrenkungen und allen möglichen Posen. Moment-Aufnahmen von Situationen. Mehr ist es nicht. Es sieht aber so leicht aus und man ist leicht verführt solche Dinge zu denken wie: das schaff ich nie, das könnte ich nie, warum sollte ich das können wollen, etc.

Ich erinnere mich immer wieder daran, dass diese Menschen oft Bewegung als Beruf haben und Yoga oft als Ausgleich praktizieren. Oder sie sind Trainer. Bewegung, Sport etc. ist ihr Beruf. Manchen Menschen fällt Yoga auch einfach leicht. Gibt es alles. Aber es geht immer darum eine gesunde Relation im Kopf zu behalten, denn, würdest du jeden Tag eine Stunde, oder sagen wir mal 30 Minuten, oder vielleicht auch nur 10 Minuten Yoga üben. Ich kann dir sagen, deine Fortschritte wären für dich deutlich sichtbar. Je mehr du übst, umso schneller geht es. Du erwartest ja auch nicht, dass du mit dem Fahrrad gleich schnell am Ziel bist wie mit dem Auto, oder?

Was passiert beim Yoga?

Es stimmt. Es gibt Menschen, die Yoga üben – ähm, nein, das will ich anders sagen. Es gibt Menschen, die sich die Zeit nehmen ihre Asana-Praxis zu verbessern und zu perfektionieren.

Das möchte ich wirklich klar stellen. Es gibt einen Teil im Yoga, der nennt sich: Asana-Praxis. Die Bewegung des Körpers, oder besser, das so-hinstellen des Körpers, dass er eine bestimmte Form annimmt. Asanas sind ein wesentlicher Teil der westlichen Yogapraxis und wenn man sich die Yoga-Geschichte der letzten zwei bis dreihundert Jahre ansieht dann sieht man schon, dass hier ein großer Teil des Yoga-Verständnisses sich dahin entwickelt hat, sich über den Körper wahr zu nehmen.

Dabei ist das körperliche Training wirklich nur ein Teil von Yoga. Es ist nicht Yoga.

Was dabei allerdings passiert, das bewegt uns als Menschen vollständig, denn wenn ich beginne Yoga zu üben, dann lerne ich nicht nur, wie mein Körper, also die Gelenke, Muskeln und Gliedmaßen funktionieren. Ich spüre auch, dass sich etwas im Körper verändert. Ich nehme immer mehr wahr, wie es meinem Körper geht.

Der Körper als Fahrzeug – und das ist erst der Anfang!

Der Körper ist unser „Vehikel“ in dem wir uns auf und in dieser Welt bewegen. Es macht also Sinn gut auf ihn zu achten. Das passiert bei den Körperübungen.

Dann ist da aber noch ein wesentlicher Aspekt. Im Yoga lernt man auch zu atmen. Ruhig und entspannt zu atmen. Auch in Positionen, in denen wir angestrengt sind. Hmmm. Klingt das nicht super? Eine Übungspraxis in der wir lernen, auch in herausfordernden Situationen bei uns bleiben zu können und dabei auch noch ruhig zu sein?!

Wir lernen also nicht nur unseren Körper kennen, sondern auch die Gedanken und Emotionen, die wir haben. Und das führt irgendwann einmal dazu, das wir unserem Körper lieber etwas gesundes zu Essen geben, dass wir darüber nachdenken, welche Inhalte wir in unseren Geist füllen möchte und es führt dazu, dass wir immer mehr auch still werden und sein können – mit uns selbst.

Wow. – Ist das nicht großartig?

Das Buddha-Bäuchlein

Du fragst dich jetzt sicherlich: Ja, super! Aber was hat das jetzt mit meinem Bauch zu tun?

Nun, alles. Weil, der Bauch ist ein Teil von dir und den solltest du mit viel Liebe auf die Yogamatte mitnehmen.

Ich kenne das. Ich habe auch ein Buddha-Bäuchlein. Ja, ich habe es Buddha-Bäuchlein getauft. 🙂 Etwas, das man mit liebe betrachtet, verändert sich immer positiv! 🙂

Wenn man mich heute sieht, dann kann man sich das vielleicht schwer vorstellen, aber in den letzten 16 Jahren war das niedrigste Gewicht, das ich hatte, 32 Kilo. Das war kurz nach der ersten Lungentransplantation – da war nicht mehr viel dran an mir. Aber ich war niemals so glücklich.

Die beste Übung die ich je für mich gemacht habe

Damals hab ich mich vor den Spiegel gestellt und mir gesagt: „Du bist schön“ und zwar so lange, bis ich mich wunderschön fand. In der Zwischenzeit hatte mein Körper Zeit langsam wieder zu Kräften zu kommen. Ich hab ihm Zeit gelassen und ihm das gegeben, was er brauchte. Gesunde Nahrung, moderate Bewegung und Yoga. Ich konnte ich mich kaum nach vorne beugen. Mühsam hab ich das alles wieder gelernt – mit viel Geduld – Schritt für Schritt wieder in meine Kraft zu kommen. Wie? Ich habe die Yogapraxis an meinen Körper angepasst.

Anpassung ist alles

Kurz vor der zweiten Transplantation hab ich wieder abgenommen. Mein Idealgewicht sind zwischen 52 und 55 Kilo. Mit 53 Kilo fühl ich mich großartig! Zum Schluss hatte ich nur noch 43 Kilo… oder weniger. In den letzten Tagen hab ich mich nicht mehr so regelmäßig auf die Waage gestellt. Dabei hab ich gegessen für Drei!

Ich habe immer noch Yoga geübt. Wie? Ich habe einfach die Yogapraxis an das Vermögen meines Körpers angepasst.

Nach der Transplantation hatte ich noch immer soviel Hunger und zusammen mit dem Medikamenten hatte ich innerhalb eines halben Jahres auf 62 Kilo zugenommen. Ich hatte ein rundes Gesicht und einen runden Bauch. Und Yoga hat nicht so viel Spass gemacht. Bis ich die Yogapraxis an meinen Körper angepasst habe.

Es geht immer darum die Yogapraxis an die eigenen Bedürfnisse anzupassen.

Bewegung soll Spass machen

Seit dem ist das ein Schlüssel für meinen Yogaunterricht. Es gibt auch inzwischen viele Yoga-Klassen die „Yoga for all“ heißen und bedeutet, dass Yoga auch für und von Yogalehrenden unterrichtet wird die selbst nicht in die Konfektionsgrößen 36 / 38 passen. Durch diese habe ich vieles gelernt. Denn auf die Yogapraxis zu verzichten bedeutet für mich einen großen Teil davon weg zu nehmen, was ich meinem Körper täglich Gutes tun kann. Es reichen schon 5 bis 10 Minuten täglich und einmal oder zwei Mal pro Woche eine längere Yogapraxis oder täglich 20 Minuten.

Es ist wunderbar, was sich da im Körper tut! Aber wenn dir die Freude an der Bewegung fehlt, fehlt dir irgendwann auch die Bewegung. Man macht es dann nicht mehr, und das ist so schade! Du hast ja vorhin gelesen, wie viel Positives so eine Yogapraxis auslösen kann!

Anpassungen für das Buddha-Bäuchlein

Was kannst du jetzt konkret machen? Wenn du an deinem Körper etwas hat, das mehr Raum einnimmt, dann musst du diesem Etwas, auch mehr Raum geben.

Bei Vorbeugen kann das sein, einfach die Beine mehr zu grätschen und so mehr Raum zu schaffen. Vorbeugen sollen die Körperrückseite dehnen und sie massieren die Organe die wir über eine Kompression der Körpervorderseite sanft zusammen bringen.

Für Drehungen ist das z.B. ein größerer Winkel, indem wir uns höher setzen oder den Rücken gerade nach hinten lehnen um so zuerst die Drehung zu aktivieren bevor wir in die Kompression gehen.

Der Ausfallschritt und Co braucht die Anpassung, einfach nicht innerhalb des Körpers zu steigen, sondern die Hüfte etwas zu öffnen und den Fuß außerhalb des Körpers zu platzieren. Also außerhalb der Hand. Oder auch die Hände auf den Oberschenkel zu stützen.

Gib Dir selbst Raum für die Bewegung!

Was kann Anpassen noch bedeuten?

Anpassen bedeutet, dass Du akzeptierst, das du jeden Tag anders bist, und dein Körper auch! An einem Tag freut er sich über Herausforderungen, am nächsten möchte er lieber entspanntes, ruhiges Bewegen in Verbindung mit der Atmung. In der Früh sind wir anders als am Abend und im Winter anders als im Frühling. Im Urlaub geht es besser als bei Projektabschluss, usw.

Wenn du lernst, deinen Körper da „abzuholen“ wo er gerade ist, dann werdet ihr schnell gute Freunde werden und gemeinsam viele schöne Momente haben.

Ich bin ein Bewegungs-Junkie!

Es gibt kaum etwas Schöneres für mich, als wenn ich spüre, dass mein Körper an Kraft gewinnt. Wenn ich merke, dass eine Asana auf einmal leichter geht, dass ich mich weiter hinunter dehnen kann, dass ich spüre wie mein Körper sich hinein entspannt in eine Position! Aber ich habe das alles was ich oben geschrieben habe für mich verinnerlicht. Für mich gehören auch Pausen zur Yogapraxis. Zeiten, in denen Meditation und Atmung mehr Raum haben als die Asanas. Ich freue mich manchmal einfach wenn ich in eine Stellung des Kindes gehen kann um kurz abzutauchen, meinem Körper, meinem Rücken, den Schultern und dem Nacken eine Erholungspause zu geben. Meine Gelenke zu bewegen, einfach auch nur kurz still zu werden.

Asana Praxis ist für mich auch, mich zu motivieren aus einer Lethargie zu kommen. So sehr unsere Körper für Bewegung gemacht sind, so sehr ist er auch träge.

Jeden Tag anders – 365 Tage lang

Ich passe meine Yogapraxis auch den Jahreszeiten, und als Frau, auch meinem Zyklus an. Es ist wunderbar, mir mit Yoga genau das geben zu können, was ich gerade brauche. Manchmal übe ich mehr in der Früh, manchmal mehr am Abend. Ich lasse Yoga mein Leben begleiten, nicht diktieren und ich höre auf meinen Körper – zumindest immer besser und immer mehr. – Ich bin ja schließlich auch nur ein Mensch.

Eines will ich dir auch noch mitgeben. Je mehr du deinen Körper annimmst, wie er ist, umso glücklicher wirst du mit ihm werden. Nimm ihn an, pflege ihn, für das was er ist. Ein Gefährt auf dieser Lebensreise. Je besser du auf ihn acht gibst, umso länger wirst du eine Freude mit ihm haben. Er ist ein Geschenk! Ein wunderbares, unendlich kostbares Geschenk.

Wer begleitet dich?

Ich möchte noch etwas zum passenden Lehrer schreiben. Der Lehrer ist ein Mensch, der dir hilft, auf deinem Weg, deinen Körper – und Geist – besser kennen zu lernen, der dich dabei unterstützt, Alternativen zu finden, der weiß, dass dein Körper immer besser weiß, was für dich gut ist, als er selbst. Ein Lehrer ist aber auch jemand, der dich auffordert dich auszuprobieren, der da ist, wenn du deine Grenzen auslotest und dich sicher anleitet. Ein guter Lehrer ist jemand, der durch seine Anwesenheit Vertrauen gibt und dich daran erinnert, deine eigene Balance zu finden.

Dazu hab ich noch geschrieben: Gedanken – Was es für mich bedeutet Yogalehrerin zu sein

„Freiheit ist,
wenn wir von den Gedanken loslassen, die uns begrenzen
und erkennen, das wir den Schlüssel zu unserem Glück immer bei uns haben.“
Rani Gindl

Meine bisher erschienenen Bücher – mit PartnerLink von Amazon

Zum Thema Bauch im Netz gefunden

https://www.yogaeasy.de/artikel/was-x-large-yogis-beachten-sollten-mit-5-asanas

https://www.brigitte.de/gesund/yoga/yoga-fuer-uebergewichtige–ist-yoga-auch-etwas-fuer-schwere-menschen

https://www.faz.net/aktuell/wissen/medizin-ernaehrung/adipositas-yoga-kann-bei-uebergewicht-helfen

Yoga für Übergewichtige? Na klar!

Size matters: Yoga mit Übergewicht