„Yoga ist so vielfältig wie wir Menschen – und es verändert sich mit uns.“
Mit diesem Satz könnte ich meine Gedanken zum Buch von Gunda Windmüller gut zusammenfassen.
Denn während ich ihr Werk mit großem Interesse gelesen habe, bin ich zwischen Begeisterung, Zustimmung und kritischem Stirnrunzeln hin- und hergependelt.
Warum dieses Buch gerade jetzt wichtig ist
In den sozialen Medien, vor allem auf Instagram, hat Gunda Windmüller mit ihren kritischen Beiträgen zu Yoga und Yogaszene viel Aufmerksamkeit erregt.
Ihr Buch „Yoga. Wie es wurde, was es ist – Kulturgeschichte eines globalen Phänomens“ geht tiefer: Es erzählt die Geschichte des modernen Yoga – von historischen Wurzeln über Kolonialzeit und Globalisierung bis hin zu heutigen Strömungen, Kommerzialisierung und kultureller Aneignung.
Für alle, die Yoga praktizieren oder unterrichten, ist es spannend (und manchmal unbequem), diese Perspektiven zu lesen.
Was mir sehr gut gefallen hat
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Gründliche Recherche: Man merkt, dass hier eine Kulturwissenschaftlerin am Werk ist. Historische Quellen, Namen, Entwicklungen – alles sauber belegt. Allein der Gedanke, diese unglaubliche Fülle an Material zwischen zwei Buchdeckel zu packen und das ganze auch noch lesbar und interessant zu schreiben, persönlich, aber auch mit Recherche-Brille verlangt mir Respekt ab.
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Lebendige Sprache: Zwischen wissenschaftlicher Genauigkeit und zugänglicher Erzählweise. Gunda findet eine wunderbare Balance, auch sehr dichte Inhalte immer wieder aufzulockern.
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Breites Spektrum: Von Vivekananda über Indra Devi bis zu Taylor Swift, von Kolonialgeschichte bis Popkultur. Die Geschichte des Yoga mag in Indien begonnen haben, aber es ist inzwischen ein globales Phänomen. Man bekommt einen Eindruck dieses inzwischen globalisierten Wissens und der Schwierigkeiten, die sich dadurch auch ergeben können.
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Mut zur Kritik: Gunda spricht Machtmissbrauch, Halbwissen, unkritische Lehrer-Schüler-Beziehungen und die Esoterik-Bubble klar an. Der klare Blick kann manchmal auch weh tun, aber ich denke es ist wichtig auch diesen Aspekt anzusprechen. Nicht nur für Yoga, sondern für eine Gesellschaft die hinschaut.
Es bleiben Lücken
Je länger ich las, desto mehr hatte ich das Gefühl, dass die kritischen Aspekte die positiven überwiegen.
Und dass einige historische und philosophische Facetten zu kurz kommen. Mit dem Wissen, dass ich in meinem Studium seit 2014 gewinnen konnte, hatte ich beim erneuten Lesen des Buches immer mehr Fragen. Ich fand mich zwischen zustimmendem Nicken und Stirnrunzeln. Nur ein paar (manchmal zugegeben nerdige) Beispiele
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Britische Kolonialzeit: Bildungspolitik (Macaulay’s Minute 1835), Verdrängung von Sanskrit-Schulen und die Fixierung auf „kanonische“ Texte prägten, was heute als „traditionell“ gilt. Ein kurzer Exkurs hätte hier Tiefe gebracht.
- Quellentiefe: Upanishaden sind keine Yoga-Handbücher, der Atharvaveda fehlt – obwohl er genau jene Heil- und Ritualthemen berührt, die heute als „esoterisch“ gelten.‘
- Epos-Panorama: Mahabharata und Bhagavad-Gita werden erwähnt, das Ramayana als prägende Bhakti-Quelle wäre eine schöne Ergänzung gewesen.
- Aktuelle Debatte: Die Bhagavad Gita ist auch heute umkämpft – politisch, philosophisch, spirituell, diese Debatte zu erwähnen wäre meiner Meinung nach ein sehr aktueller Einblick gewesen.
- Globale Perspektive: Mir fehlen Stimmen aus der indischen Diaspora und aus dem amerikanischen Raum, wo in den letzten Jahrzehnten enorm viel in der Yoga-Entwicklung passiert ist – von Community-Bewegungen über soziale Projekte bis hin zu kritischen akademischen Stimmen.
- Yoga-Sutra: Patanjali ist nicht Blaupause für modernes Asana-Yoga, aber Grundlage für Ethik und Meditation – hier hätte ein „sowohl-als-auch“ gutgetan.
Mein Blick auf Gundas persönlichen Weg
Überraschend und interessant wurde für mich die Diskrepanz zwischen Gundas Einstieg ins Yoga und ihrer heutigen Haltung:
2010 begann sie nach einer Phase tiefer Erschöpfung – „Erst der Körper, dann der Rest.“ 2021 will sie Yoga genauer erforschen und 2025 sagt sie öffentlich: „Ich mache gar kein Yoga mehr.“
Ich kann verstehen, dass frustrierende Erfahrungen in unkritischen oder dogmatischen Räumen dazu führen können, sich abzuwenden.
Aber: Als öffentliche Stimme in einer Zeit, in der viele ohnehin verunsichert sind, prägt so ein Statement die Wahrnehmung enorm.
Das finde ich schade.
Mein Yoga erlebe ich anders
Für mich ist Yoga kein starres System, sondern ein lebendiger Weg.
Es geht um Atem, Bewusstsein, Erdung, Verbindung – nicht nur um Asanas.
Ich mache auch andere Sportarten, aber nicht statt Yoga.
Sport gibt mir Auspowern und Endorphine. Yoga gibt mir innere Stille, Klarheit und Selbstwahrnehmung.
Yoga ist immer auch individuell: geprägt durch Kultur, Lebensumstände, Lehrer:innen.
Es gibt kein „richtiges“ Yoga für alle.
Was wir aus „Who Owns Yoga?“ lernen können
Das Lesen des Buches hat mich an die große Diskussion zur Schädlichkeit von Yoga 2012 erinnert – lies hier Ist Yoga schädlich? – Meine Antwort auf die Pressestimmen
2014 habe ich eine Al-Jazeera-Dokumentation gesehen. Wem gehört Yoga Eine gute Frage! Ein Beitrag von Bhanu Bhatnagar. Der Journalist, indischer Herkunft Bhanu Bhatnagar hinterfragt mit spürbarer Leidenschaft: Wem gehört Yoga eigentlich? Ist es für jeden zugänglich – oder wird es durch Patente, Marken und Trends restriktiv? Der Dokumentarfilm zeigt Debatten über Yogapatente (z. B. Bikram Yoga) und Initiativen wie die indische Datenbank, mit der traditionelle Yogaformen öffentlich bleiben sollen.
Seine Conclusio Yoga ist…
- ein kulturelles Erbe mit hinduistischen Wurzeln,
- ein globales Geschäftsfeld,
- ein persönlicher Heilungs- und Entwicklungsweg
- und eine Praxis, die niemand „besitzen“ kann.
Der entscheidende Punkt: Yoga lebt von der Intention, mit der wir üben.
Ich denke, es braucht eine ausgewogene Sicht
Kritik ist nötig – besonders bei Missbrauch, Machtgefälle oder Kommerzialisierung.
Aber wenn wir nur die Schattenseiten beleuchten, verlieren wir den Blick für die heilenden, verbindenden Aspekte. Das hat mir im Buch zumindest an diesen Stellen etwas gefehlt.
Missbrauch gibt es überall: in Kirche, Schule, Sport, Filmindustrie, Buddhismus – und ja, auch im Yoga.
Überall, wo ein Machtgefälle besteht, braucht es Wachsamkeit, Selbstverantwortung und bewusstes Handeln.
Meine Einladung
Wenn du Yoga übst oder unterrichtest:
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Informiere dich. Lies Bücher – auch solche, die unbequem sind.
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Hinterfrage. Kritisch, aber ohne vorschnell zu verurteilen.
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Finde deinen Weg. Yoga ist so vielfältig wie wir Menschen. Es gibt nicht den einen richtigen Stil.
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Lass es mit dir wachsen. Yoga verändert sich – so wie du dich veränderst.
Was bedeutet Yoga für dich – jenseits von Trends und Schlagzeilen?
Schreib mir gern deine Gedanken.
Entstaubt & Entzaubert – Gunda Windmüller über die YogaGeschichte im Krisenfest Podcast Folge 112
Pocket Yoga – dein Herbstritual – bewegtSein
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