Vor einiger Zeit habe ich auf Okto vobeigeschaut und bin bei einer Sendung über Yoga hängen geblieben. (Es gibt sie übrigens noch zum Nachsehen => Link) Besonders aufgefallen ist mir dabei das Interview mit Eva Karel, die im Zuge dieses Interviews die Gelegenheit bekam ihr aktuelles Buch zu bewerben/erwähnen.

Buchcover: Om, Oida! Yoga ohne Maskerade

Besagtes „Om, Oida!“ habe ich mir im Anschluss auf die Sendung dann sofort bestellt. Es versprach ein Yogabuch zu sein, das ein wenig anders ist, als die bisher erschienenen. Wobei ich als lese-affine Yogini gerne auch die Romanliteratur auf Yogabezogene Geschichten durchsuche. Hier entsteht im Moment ein ganz neuer Romantypus, in dem die Autorinnen und

 

Autoren ihre Erfahrungen mit Yoga schildern.

Um nur einige zu nennen (die sich auch in meiner Bibliothek befinden)

 

Schlampenyoga von Milena Moser, Wir sind alle erleuchtet: Bekenntnisse einer Yogalehrerin, Kirstin Rübesamen, Bin ich schon erleuchtet von Suzanne Morrison (im Englischen Yoga Bitch) und Beim ersten Om wird alles anders von Rainer Dresen. Eines, dass etwas aus der Reihe springt ist das Buch Das Karma, meine Familie und ich, in dem sich Stephanie Schönberger über ein Familienleben nach dem Stufenpfad des Patañjali macht und auch das Buch Ich. Bin. Jetzt. kann man in diese Reihe einfügen. Su Busson interpretiert ebendiesen Stufenpfad sehr alltagstauglich.

Aber zurück zum Buch von Eva Karel. Als ich begonnen habe es zu lesen, dachte ich erst: nichts Neues, kenne ich schon, habe ich auch schon mal gedacht,  aber ich habe trotzdem weiter gelesen. Das Interview hatte mich zu neugierig gemacht!

Nach der kurzen Einleitung geht es nämlich erst los und ich möchte Eva Karel zu ihrem Yogabuch der anderen Art herzlich gratulieren! Es zeigt ein klares, gut recherchiertes Bild des modernen Yoga wie er „im Westen“ und auch in Indien und so eigentlich auf der ganzen Welt unterrichtet wird. Vom ursprünglichen Yoga ist wenig über. Alle Konzentration ruht auf den Körperübungen. Ein „Trend“ der sich über (fast) alle Yogaschulen zieht. Die Autorin wählt ebenfalls den Pfad von Patañjali als Leitfaden wobei sie sehr subjektiv diejenigen herausnimmt die ihr wichtig erscheinen und reflektiert diese Entscheidung sowohl emotional als auch intellektuell gut nachvollziehbar.

Überhaupt strotzt das ganze Buch nur so von subjektiven, aber super reflektierten Gedanken zum Thema Yoga in all seiner Vielfalt – nämlich die vier Yogawege, die persönlichen Yogawege, die Lebensweg auf denen Yoga ein Begleiter und guter Freund werden kann.

Was mir gefällt, ist die „Rotzpipn“ (wienerisch: freche / ungezogene Person), die Eva Karel immer wieder „heraushängen lässt“ Es ist ein erfrischender Stil, der immer wieder etwas unterbrochen, aber niemals ganz aufgegeben wird, und man merkt, dass die Autorin auch auf der Universität tätig ist.

Weil Yoga etwas sehr persönliches ist und jeder Mensch seine Geschichte hat, kann ich nicht allem zustimmen was Eva über ihre Yogapraxis und ihre Routine schreibt, auch wenn ich nachvollziehen kann, dass sie in der Asanapraxis Meditation und Atmung findet und ihr die Regelmäßigkeit keinen ebensolchen Halt bietet wie mir. Ich liebe zum Beispiel meine tägliche Praxis und wäre ein anderer Mensch ohne dieses tägliche vorbeischauen bei mir selbst – egal ob körperlich auf der Matte oder geistig auf dem Meditatonskissen. Wobei ich ihr zustimme ist aber die Zeitdauer – niemand hat jemals festgelegt was ausreichend oder genug ist – wenn es nur 5 Minuten sind, sind es 5 Minuten, es können aber auch 3 oder 30 sein… Es kommt darauf an, wie es in unser Leben passt. Das ist auch so eine Hauptbotschaft in dem Buch, finde ich, richte Yoga nach deinem Leben aus, nicht dein Leben nach Yoga. Erforsche deine Motivation und überprüfe immer wieder dein Ego.

Mir gefällt die frische Art wie die Autorin über ihren Weg erzählt, wie sie zum Yoga über den Buddhismus kam, wie sie ihre inneren Widerstände immer wieder angesehen hat und so ihren eigenen Weg gefunden hat.

Was mir besonders gut gefällt, ist der Ansatz weniger streng mit sich zu sein und den Humor nicht zu kurz kommen zu lassen – weder auf der Yogamatte noch im „echten“ Leben… Das Kopfkino zu beobachten ohne in einer ständigen Umlaufbahn um die vergangenen Situationen, Gespräch und Gedanken zu verweilen und irgendwann vollkommen weltfremd zu sein. Manches auch einfach sein lassen können, das ist eine meiner Hauptlehren im Yoga – ich denke, da haben Eva K. und ich bei allen Unterschieden doch einiges gemeinsam.

Inhalt in groben Zügen:
Erster Teil – Das philosophische Drumherum
Zweiter Teil – Turnen für das Seelenheil? Yoga-Asanas
Dritter Teil – Sich selbst aushalten
Vierter Teil – Atmen und manchmal still sitzen
Fünfter Teil – Machen statt reden

Ergänzend fand ich auch die Literatur/Web-Liste sehr interessant – eine wahre Fundgrube zum weiterlesen!

Aus dem Buch:

Selbstverständlich können Hochleistungen erzielt werden, wenn man sich – komme was wolle – durchbeißt. Arschbacken zusammengezwickt und los! Aber überlegen wir kurz, was hinter der Fassade der beiden Vorgehensweisen liegen könnte, denn mich persönlich interessiert primär der Weg, nicht so sehr das Ziel. Ich gehe nicht unbedingt davon aus, dass mir demnächst die Erleuchtung ins Gebein fahren wird. Das doch hält mich nicht im Mindesten von meiner Yogapraxis ab, denn ich bin überzeugt, dass es überhaupt nicht egal ist, wie wir uns hier benehmen“ (Karel, S. 90)

Das Thema Meditation führt Karel so ein: “ Wer beobachtet hier wen – und warum überhaupt? So wie ich das verstehe, gehen Meditationspraktiken davon aus, meine Gedanken seien eine unzurechnungsfähige Bande überreizter ADHS-Kandidaten, die es zur Räson zu bringen gilt. Doch warum sollte ich Aspekte meines sonst so dienlichen Hirnes in die Schranken weisen wollen? Mein Fazit ist folgendes: Mein Hirn ist ein durchaus hilfreicher Zeitgenosse.“ (Karel, S.195)

Mein Fazit: Ein großartiges Buch zum „Selber-(er)finden“ – zum „Gründe-suche“ für die Yogapraxis und einen gesunden Umgang mit sich Selbst zwischen Zwangsneurose und „Wurschtigkeits-„Ecke“.